Vom 23.05. bis zum 02.06.2024 war unser Mitarbeiter Jascha Wieck (Projektreferent für Entwicklungszusammenarbeit sowie für Umwelt- und Naturschutz) auf Projektbesuch im Senegal. Mit seinem Erfahrungsbericht möchte er uns einen kleinen Einblick in die Erlebnisse und Situation vor Ort geben:

Zusammen mit 21 Personen des Tilman-Riemenschneider-Gymnasiums Osterode (Schüler, Lehrer, Fotograf und Drittmittelgeber) verbrachte ich die erste Hälfte der Reise in Kaolack. Die über 200.000 Einwohner fassende Stadt liegt südöstlich der Hauptstadt Dakar und weist kein funktionierendes Abfallsystem auf. In Kombination mit Temperaturen jenseits der 40° Celsius ergibt sich für die dortige Bevölkerung eine eigentlich lebensfeindliche Umgebung, die bei horrenden Temperaturen mit einem immensen Bedarf an Trinkwasser einhergeht – das Grundwasser ist jedoch stark versalzen und auf Trinkwasser aus Plastikflaschen kann nicht selbstverständlich zugegriffen werden. Was mir schon vor der Reise bewusst war, sich aber nachhaltig in meinem Kopf eingebrannt hat, ist die Tatsache: Die wahren Leidtragenden des menschengemachten Klimawandels leben nicht dort, wo der Klimawandel verursacht wird, sondern im globalen Süden.

Foto: Bingo-Umweltstiftung

„44 Grad sind auch für uns nicht normal, das war früher nicht so“, klagte ein senegalesischer Deutschlehrer und der Betreuer der senegalesischen Schülergruppe, die im Rahmen eines Schüleraustausches im August auch nach Deutschland reisen wird. Zwischen jenem Gymnasium in Kaolack und dem Tilman-Riemenschneider-Gymnasium besteht seit einigen Jahren eine Partnerschaft, die mit gegenseitigen Besuchen gekrönt wird. Für die Schüler beider Länder bieten sich einmalige Gelegenheiten und Momente, die ein Leben lang anhalten.

Das Tilman-Riemenschneider-Gymnasium in Osterode reichte im Januar 2022 bei der Bingo-Umweltstiftung einen Antrag ein, um auf einem neu zu errichtenden Schulkomplex in Kaolack die „Bingo-Begegnungsetage“ zu erstellen. Diese konnte im Rahmen des Projektbesuchs feierlich eröffnet werden und der offizielle Schulbetrieb steht nun in den Startlöchern. Entstanden ist ein Schulgelände, das seinesgleichen sucht und eine riesige Strahlkraft für die Region Kaolack bietet. Die Bingo-Begegnungsetage dient dabei als Mehrzweckraum mit moderner Technik inklusive einer Bühne, einer kleinen Bücherei, einer Computer-Ecke und genügend Platz, um diverse (Schul-)Veranstaltungen abzuhalten. Dass das allgegenwärtige Lächeln der Kinder beim Anblick des Geländes als Indikator dafür dient, dass der dortige Schulstart kaum erwartet werden kann, ist offensichtlich. Die Bingo-Begegnungsetage wurde seitens der Stiftung mit 65.000 Euro gefördert.

Fotos: Dietrich Kühne, Kroesing Media

 

Nach einer intensiven Zeit in Kaolack ging es dann für mich alleine weiter nach Saly an den Atlantik. Dort besuchte ich einige Projekte der „Kinderhilfe Senegal“ mit Sitz in Hammah bei Stade. Vornehmlich handelte es sich hierbei um Bauten an Schulen (z. B. Klassenräume, Toiletten oder Lehrerunterkünfte), die die Stiftung mit jeweils knapp 10.000 Euro unterstützte. Da die Schulen sich nicht direkt in Saly befanden, sondern in kleinen, abgelegenen Orten in der Savanne, standen teils abenteuerliche Taxifahrten über Stock und Stein auf dem Programm. Das obligatorische Bild vor einem der landschaftsprägenden Baobabs (auch Affenbrotbaum genannt) durfte an dieser Stelle natürlich nicht fehlen.

Foto: Bingo-Umweltstiftung

Die Schulbesuche selber waren für mich höchstinteressant. Zunächst standen Sprachbarrieren oft im Weg: die Kinder sprechen hauptsächlich Wolof und lernen erst im Laufe der Grundschule Französisch, der Projektreferent spricht abgesehen von Deutsch hauptsächlich Englisch und hatte für sein Schulfranzösisch jahrelang keine Verwendung. Mit Händen, Füßen und einem Lachen konnten diese Hürden aber meist überwunden werden und beide Seiten konnten sogar einzelne Wörter voneinander lernen. Besonders spannend war für mich als Geograph ein Besuch des Geographie-Unterrichts an einem Gymnasium. Thematisiert wurde der europäische Imperialismus in Afrika, also ein geopolitisches Thema, das in deutschen Schulen kaum bis gar nicht unterrichtet wird und eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte abbildet – zumal wenn überhaupt europäische Sichtweisen thematisiert werden und nicht, wie in diesem Fall, die afrikanische Perspektive.

Foto: Bingo-Umweltstiftung

Insgesamt bot sich mir in Saly ein anderes Senegal inmitten touristischer Hotelanlagen. Was sich aber keineswegs änderte war die enorme Gastfreundschaft und Freundlichkeit, die mir während meines gesamten Aufenthaltes zuteilwurde. Es sind Momente entstanden, die ich noch lange Zeit in positiver Erinnerung behalten werden. Vor allem das Engagement und die Hingabe der Südpartner der Antragsteller haben mich nachhaltig beeindruckt. Ich danke dem Tilman-Riemenschneider-Gymnasium und der Kinderhilfe Senegal von ganzem Herzen, mir Ihre gelungenen Projekte vor Ort gezeigt zu haben.

Die Zeit im Senegal war höchst erkenntnisreich und hat mir meine Privilegien als deutscher Staatsbürger noch einmal aufgezeigt. Für mich ist der Zugriff auf trinkbares Leitungswasser das Normalste der Welt und während die Bevölkerung im Senegal, vor allem in der Savanne, unter lebensbedrohlichen klimatischen Verhältnissen leidet, konnte ich mich nach zehn Tagen wieder in den Flieger setzen, der Hitze entfliehen und mich über 31° in Hannover beschweren.

Fotos: Dietrich Kühne, Kroesing Media